Gruppe
Anne Hultzsch
Über uns

In A Room of One's Own erfand Virginia Woolf Shakespeares fiktive "wunderbar begabte Schwester Judith", um auf die hemmende Diskriminierung hinzuweisen, der sich jede angehende Dichterin im London des sechzehnten Jahrhunderts ausgesetzt sah. Fast ein Jahrhundert später beinhaltet die Documentary History from 1000 to 1810 (2004), herausgegeben von Liane Lefaivre und Alexander Tzonis, unter 140 Texten zur Architektur gerade einmal einen Text von einer Frau, der französischen Dichterin und politischen Denkerin Christine de Pizan aus dem 15. Jahrhundert. Die Protagonisten der Architekturgeschichte vor 1900 (und oft auch danach), sind überwiegend männlich, eine Tatsache, die noch immer zu oft als unvermeidlich angesehen wird, mit der Begründung, dass die meisten Architekten dann in der Tat Männer waren. Obwohl in letzter Zeit mehr Architektinnen – oder Frauen, die Gebäude entworfen haben – untersucht worden sind, bleiben sie im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen eine verschwindend kleine Zahl, wiederum, weil es einfach nicht mehr Frauen gab, die vor 1900 Architektur in der Art und Weise praktizierten, wie es Männer taten.
Unsere Gruppe nimmt einen neuen Standpunkt ein. Was wäre, wenn wir nicht eine fiktive Schwester von Heldenarchitekten wie Viollet-le-Duc, John Soane oder Karl Friedrich Schinkel erfinden müssten, um die Möglichkeit eines weiblichen Beitrages zur Architektur vor 1900 zu ergründen? Was wäre, wenn wir stattdessen nach Frauen suchten, die über Architektur schrieben und so zu einer architektonischen Öffentlichkeit ‘zu ihren eigenen Bedingungen’ beitrugen, um es mit den Worten der Historikerin Gerda Lerner zu sagen?
Anstatt nach Frauen zu suchen, die den von Männern dominierten Praktiken der Architektur folgten, wie dem Entwerfen, Zeichnen oder Bauen – im weitesten Sinne dem Renaissance-Konzept des disegno – suchen wir nach Frauen, die andere Wege fanden, das Gebaute und seine Wahrnehmung zu dokumentieren, zu kritisieren und so zu beeinflussen. Dabei konzentrieren wir uns auf die zweihundert Jahre vor 1900, dem Moment also, von dem an es mehr und mehr Frauen möglich war, formelle Abschlüsse in Architektur abzulegen.

Die Gruppe Hultzsch wird finanziert durch einen ERC Starting Grant für das Projekt Women Writing Architecture: Female Experiences of the Built 1700-1900 (WoWA) (Grant agreement No.949525).

Laufende Updates sind auf der WoWA Website und auf unseren Social Mediakanälen zu finden:
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Bilder
Eliza Haywood Female Spectator (1746) Quelle
Susanna Eger Leipziger Kochbuch (1706) Quelle
Flora Tristan Meine Reise nach Peru. Fahrten einer Paria. (1838) Quelle